Bündnis 90/Die Grünen

im Landkreis Ebersberg

Reinhard Oellerer: Rede zur Nominierung als Landratskandidat

In seiner ca. halbstündigen Rede stellte sich Reinhard Oellerer den Mitgliedern des Kreisverbands vor. Dabei ging er auf schon Erreichtes der Kreistagsfraktion ein und stellte seine Ziele und Visionen dar. Den Inhalt seiner Rede lesen Sie im Folgenden:

11.02.13 –

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, liebe Gäste, liebe Vertreter der Presse,

die kommende Fastenzeit werde ich diesmal ohne die vielen guten Vorsätze beginnen können. Und das dank eines Tipps, den mir ein ehemaliger Landrat und Kreistagskollege, dessen Namen ich nicht verraten will, gegeben hat. Er hat mir anvertraut, dass er bei den Wahlkämpfen immer einige Pfunde verloren hat. Ein guter Grund mehr für mich, mich heute um diese Kandidatur zu bewerben.

Als ich vor 5 Jahren in den Kreistag gewählt wurde, da war ich schon ein bisschen stolz -stolz, dass ich jetzt zu dieser Fraktion gehört habe, deren immensen Sachverstand und deren großen Zusammenhalt ich vor allem als Kreisvorstand kennen gelernt hatte. Und jetzt war ich auch dabei, bekam wie jeder Neuankömmling eine blaue Krawatte und war gespannt, welche Pläne Herr Fauth für die kommende Wahlperiode vor uns ausbreiten würde. Da war aber Fehlanzeige. Seine Ansprache beschränkte sich auf die Warnung, wir sollten uns als ehrenamtliche Verwalter des Landkreises keinen allzu großen Dank, dafür viel Arbeit erwarten. Da hat er teilweise recht behalten. Ich habe aber auch Anerkennung über die Fraktionen hinweg erfahren.

Seit vielen Jahren haben wir Grüne bei den Landratswahlen immer unseren Anspruch angemeldet, diesen Landkreis zu führen und kompetente Kandidatinnen und Kandidaten aufgestellt. Wir konnten dies selbstbewusst tun, weil wir seit unserem ersten Einzug in den Kreistag 1984 die Themen mit gesetzt haben - Energieeffizienz, Abfallwirtschaft, Gentechnik, Gleichberechtigung für Frauen in der Politik, ökologische Baustandards, Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs - um nur einige zu nennen. Waltraud hat selbst einige Male kandidiert und diese Arbeit nun seit 29 Jahren mit geprägt. Eine unglaubliche Leistung.

Auch in dieser Wahlperiode war unsere Fraktion nicht nur fleißig, sondern richtig erfolgreich. Wir hatten zur rechten Zeit die rechten Themen und Anträge und konnten dafür auch Mehrheiten gewinnen. Ich werde als Landrat diese Beschlüsse umsetzen und die damit verbundenen Projekte energisch vorantreiben.

Von den vielen Themen, mit denen ich befasst war und die mir am Herzen liegen, will ich nur drei Bereiche herausgreifen:

  • Bildung
  • Nachhaltigkeit als Grundsatz in vielen Politikbereichen und
  • die sozialen Aufgaben des Landkreises.

Einer meiner Schwerpunkte ist und bleibt die Bildungspolitik im Landkreis. Als Mitglied im sogenannten FSK-Ausschuss habe ich die Neugründung der Poinger Realschule, die Erweiterung des Markt Schwabener Gymnasiums und der RS Ebersberg mit beschlossen. Der Investitions- und Reparaturstau ist teilweise abgebaut, er hat unglaublich viel Geld gekostet, aber es kommen noch Baumaßnahmen in Höhe vieler Millionen auf uns zu. Sie stehen jedoch für mich unter einem Finanzierungsvorbehalt gemäß der gerade beschlossenen neuen Finanzleitlinie, auf die ich später zurückkommen werde.

Der Ausbau der Ganztagsbetreuung wird weitergehen. Der Bedarf im Landkreis steigt ständig, wie man zum Beispiel hier in Anzing sehen kann, wo wir kurzfristig neue Hortplätze bereitstellen müssen. Glücklicher Weise trägt bei der offenen Ganztagsbetreuung der Freistaat den Großteil der Kosten.

Besonders froh aber bin ich, dass Doris Häuser und ich die Mehrheit überzeugen konnten, dass die Sozialarbeit an Schulen angesichts der vielen Probleme unserer Schülerinnen und Schüler einfach notwendig und kein Luxus ist. Ob die derzeit 3 Vollzeitstellen für unsere 8 Realschulen und Gymnasien ausreichen, bleibt abzuwarten. Aber meine Prioritäten sind klar: in der Schule geht es um ein personales Angebot, und dann erst um Lernstrategien, Verwaltung und Technik.

Kurzfristiges Denken macht keine gute Politik. Sie muss die kommenden Generationen mitdenken, damit sie verantwortbar ist. Das nennt man dann "nachhaltig". Auch wenn der Begriff inflationär verwendet wird, will ich ihn hier mangels eines besseren verwenden. Und meine Vorstellung ist es, unseren Landkreis im Hinblick auf diese Nachhaltigkeit zu einem Vorbild zu machen.

Ich greife drei Bereiche heraus, die dafür besonders wichtig sind.

Herr Fauth hat in einem Interview vor kurzem gesagt, er hätte öfter gerne noch mehr investiert. Kann ich irgendwo verstehen. Aber Politik ist kein Wunschkonzert. Und da der Landkreis seine Verschuldung in den nächsten Jahren noch einmal drastisch erhöhen wird, haben wir Grüne eine Finanzrichtlinie vorgeschlagen, die mit gewissen Änderungen einstimmig beschlossen wurde, die zumindest den Anstieg begrenzt und langfristig zu einem Abbau führen soll. Denn wer muss denn die Schulden tilgen? Die SteuerzahlerInnen der nächsten Jahrzehnte.

Mein Mitbewerber von der SPD bei der Landratswahl, der sicherlich eine Bereicherung für den Kreistag sein wird, verweist in seinen Zeitungsanzeigen auf den drohenden Schuldenberg. Es freut mich, dass er dies auch als Problem ansieht. Aber es amüsiert mich schon auch, weil sich die SPD-Fraktion besonders schwer tat, dieser Leitlinie zuzustimmen. Und auch die SPD hat sich in den letzten Jahren stets der großen Koalition der Bürgermeister angeschlossen, die die Kreisumlage immer niedriger gehalten haben als es für eine stärkere Begrenzung der Neuverschuldung notwendig gewesen wäre.

Die Energiewende, die vom Kreistag bereits 2006 beschlossen wurde, ist die große Aufgabe der nächsten Amtszeit. 2030, das ist übermorgen, und die nächsten 7 Jahre müssen die Strukturen geschaffen werden, die sie ermöglichen. Mit der Installation desKlimaschutzmanagers ist eine wichtige Schaltstelle geschaffen worden, die diese gigantische Aufgabe im Landkreis koordinieren kann. Übrigens auch das ein Ergebnis eines Antrags der Grünen, den ich mit verantwortet habe.

Windenergie ist unverzichtbar. Ich werde sie im Landkreis nach besten Kräften unterstützen. Die interkommunalen Planungen tragen hoffentlich zur größeren Akzeptanz bei den Bürgerinnen bei.

Der Landkreis soll sich auch an den Energiegenossenschaften beteiligen, deren Gründung in nächster Zeit geplant ist. Dezentrale Energiegewinnung ist Wertschöpfung in der Region statt der Überweisung von Millionenbeträgen für Energien, die in die Klimakatastrophe führen.

Der schwierigste Teil der Energiewende ist die Mobilität. Die komplette Substitution des Erdöls ist derzeit nicht absehbar. Das beschlossene Mobilitätskonzept des Landkreises bietet Ansätze für Verbesserungen, aber keinen Durchbruch zur Unabhängigkeit von fossilen Energien. Das Problem liegt auch darin, dass der Landkreis allein nicht umsteuern kann.

Voraussetzung ist eine umfassende Neuorientierung der Verkehrspolitik im ganzen Land. Der Bundesverkehrswegeplan ist laut Toni Hofreiter, dem Grünen Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im Bundestag nur zu einem Zehntel finanzierbar. Umso dringender müssen die vorhandenen Mittel vorrangig dem öffentlichen Verkehr gewidmet werden. Dabei scheint mir immer unwahrscheinlicher, dass die propagierten Großprojekte realisierbar, weil nicht finanzierbar sind.

Keines der für den Landkreis relevanten Großprojekte des öffentlichen Verkehrs ist bisher gesichert:

  • die 2. Stammstrecke oder eine Südringlösung für die S-Bahn
  • der zweigleisige Ausbau der Bahn nach Mühldorf
  • der Ringschluss der S-Bahnen zum Flughafen
  • der Fernbahnanschluss der Flughafens
  • die Zuführung zum Brennerbasistunnel

Jedes dieser Vorhaben hat eine Größenordnung, zu der der Landkreis nicht wirklich etwas beitragen kann. Jedenfalls glaube ich nicht, wie Herr Fauth dies vor kurzem gemeint hat, dass wir als Landkreis zur Rettung des 2. Tunnels berufen sind. Wir können uns nur in die Diskussion der Prioritäten einbringen.

Besonders wichtig ist auch, dass wir alle Straßenbaumaßnahmen im Landkreis auf ihre Notwendigkeit und sorgfältige Planung hin überprüfen. Der große Kreisverkehr bei Haging ist ebenso überflüssig wie der weiträumige Umbau der Einmündung in die B 12 bei Birkach. Und ich möchte dafür sorgen, dass die Kostenschätzungen, die der Kreistag präsentiert bekommt, nicht meilenweit von den tatsächlichen Kosten entfernt sind.

Eng verknüpft mit der Verkehrspolitik ist der Landschaftsverbrauch. Es ist schon bemerkenswert, dass sich erstmals seit vielen Jahren Protest der Anliegergemeinden gegen die Ausweisung eines Gewerbegebiets regt. Die Pläne zur massiven Ausweisung von Einzelhan-delsflächen in Parsdorf, die Bürgermeister Niedergesäß geplant hatte, sind geradezu ein Paradebeispiel für eine nicht nachhaltige Politik. Kommende Gewerbesteuern fest im Blick, wurden die weitergehenden Folgen ausgeblendet. Dazu zählen

  • eine weitere Belastung der A 94, auf der sich bereits derzeit täglich Staus bilden 
  • die Zerstörung eines wertvollen Biotops
  • der Bau von Umgehungsstraßen, die insgesamt über 15 Millionen Euro kosten sollen, die weder die Gemeinde noch der Landkreis hat
  • die Schaffung von Einkaufsmöglichkeiten weit weg von den Bürgerinnen und Bürgern

Dass nun die Regierung von Oberbayern das Projekt in dieser Größenordnung gestoppt hat, weckt die Hoffnung, dass das sogenannte Anbindungsgebot im Landesentwicklungsprogramm ernst genommen wird, gegen das der Bayerische Gemeindetag jedoch derzeit Sturm läuft. Und die Verringerung des Flächenverbrauchs wird von der Staatsregierung gleichzeitig dadurch erschwert, dass die Bestimmungen für die Bereitstellung von Ausgleichsflächen gelockert werden sollen.

Insgesamt wird die Problematik für den Landkreis jedoch nur entschärft werden können, wenn im Konsens mit den Gemeinden und Städten Zielvereinbarungen getroffen werden, die den Flächenverbrauchs begrenzen.

Es geht nicht gerecht zu in Deutschland. Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich in den letzten Jahrzehnten immer weiter geöffnet. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt 23 % des Volksvermögens - Tendenz steigend. Laut einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist in den letzten 15 Jahren die Mittelschicht um über 5 Millionen Menschen geschrumpft. Das liegt an zahlreichen Sozial- und Steuergesetzen, an denen der Landkreis natürlich nichts ändern kann, für deren Vollzug er jedoch teilweise zuständig ist.

Ich werde mich bei jeder Gelegenheit dafür einsetzen, dass die größten Ungerechtigkeiten beseitigt werden. Dazu gehört für mich neben der Korrektur des Steuersystems vor allem die Anhebung der Hartz IV-Sätze auf mindestens 420 Euro, wie dies von den Wohlfahrtsverbänden gefordert wird. Und es kann doch wohl nicht wahr sein, dass zwar Großverdiener Kindergeld erhalten, nicht aber die Bezieher von Hartz IV-Leistungen.

Die soeben erstellte Sozialraumanalyse für den Landkreis zeigt, dass die sozialen Probleme im Landkreis nicht so drückend sind wie in manch anderen Teilen Bayerns oder gar der Bundesrepublik. Und dennoch gibt es auch bei uns viele Menschen, die Hilfe brauchen. Ihnen zu helfen wird bei mir höchste Priorität genießen. In besonderer Weise gilt dies für den Bereich der Jugendhilfe, wo frühzeitige und passgenaue Unterstützung sich in doppeltem Sinne lohnt. Und natürlich gehört dazu die enge Kooperation mit den Wohlfahrtsverbänden.

Auch die Unterstützung der vielen ehrenamtlichen Initiativen und Organisationen ist für mich eine Selbstverständlichkeit: vom Kreisjugendring über die Tafeln, den Frauennotruf und die Ausländerhilfe bis zum neu gegründeten Palliativnetz.

Die Kosten der Unterkunft für die Bezieher von Sozialleistungen gehören zu den kostenträchtigsten Aufgaben des Landkreises. Um sie angesichts der steigenden Mieten im Griff zu behalten, wird es notwendig sein, mehr bezahlbaren Wohnraum mit Hilfe der Wohnungsbaugenossenschaft des Landkreises zu schaffen. Das bedeutet auch höhere Ausgaben für den Landkreis, ist jedoch vor allem abhängig von ausreichenden Zuschüssen des Freistaates im Rahmen der Einkommensorientierten Förderung.

Mein Amtsverständnis endet nicht an den Grenzen des Landkreises. Während Herr Fauth Debatten über Fragen der Gentechnik, die Atomkraft oder den Behördenfunk im Kreistag möglichst nicht führen wollte, bin ich überzeugt, dass alles, was die Menschen bewegt auch seinen Platz in unseren Diskussionen hat. Dass unsere Einflussmöglichkeiten begrenzt sind kann nicht heißen, dass wir dazu keine Meinung äußern dürfen.

Schließlich wird unser Alltag von zahllosen Entscheidungen bestimmt, die auf höherer politischer Ebene getroffen werden. Es hat konkrete Auswirkungen auf den Landkreis, wie die europäische Agrarpolitik gestaltet wird, ob Sozialleistungen erhöht oder gekürzt werden, ob Sozialarbeit an Schulen vom Freistaat bezuschusst wird oder nicht. Also werde ich mich auf allen Kanälen und Ebenen dafür einsetzen, sachgerechte und für die Zukunft tragfähige Lösungen durchzusetzen, die den Menschen im Landkreis Ebersberg gerecht werden und die Leistungsfähigkeit der Kommunen berücksichtigen.

Und natürlich werde ich mich in die Diskussionen in den Gremien aktiver einbringen als dies Herr Fauth in den letzten Jahren tun konnte oder wollte. Die Atmosphäre zwischen den Fraktionen war auch bisher oft von der Bereitschaft zu Konsens und Kompromiss geprägt. Anträge meiner Fraktion zu wichtigen Fragen wie den Baurichtlinien wurden schließlich einstimmig gebilligt. Ich bin mir sicher, dass ich diese Gesprächsbereitschaft als Landrat aufrecht erhalten und fördern kann.

Die über 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamtes haben ihre Arbeit in den letzten Jahren unter besonders schwierigen Bedingungen engagiert getan. Sie mussten nicht nur den Betrieb während der ständigen Umbauarbeiten aufrecht erhalten. Sie mussten auch damit klar kommen, dass ihr Chef gesundheitsbedingt nur eingeschränkt verfügbar war. Als Kreisräte haben wir natürlich ganz bestimmte dadurch ausgelöste Defizite gesehen, aber unser Einblick ist ein beschränkter. Wer dieses verantwortungsvolle Amt antritt, wird deshalb schnellstmöglich mit allen Beteiligten intensive Gespräche führen und dabei vor allem gut zuhören müssen. Ich halte jedenfalls nichts davon, von außen gute Ratschläge zu erteilen.

Als ich vom Kreisvorstand und meiner Fraktion vor Weihnachten der Presse als möglicher Kandidat für das Amt vorgestellt wurde, hat man mich gefragt, was denn meine ersten Amtshandlungen sein würden. Das weiß ich noch immer nicht. Vermutlich gibt es zahlreiche Dokumente zu unterschreiben, die die Amtsübernahme besiegeln.

Aber so bald ich mich den MitarbeiterInnen vorgestellt und mich mit meinen Aufgaben vertraut gemacht habe, ist es mir ein großes Anliegen, mit der Unteren Verkehrsbehörde die Möglichkeiten auszuloten, die Fußgänger innerorts besser zu schützen. Die Gemeinde Anzing bemüht sich seit Jahrzehnten erfolglos, hier an der Kreuzung vor dem Kirchenwirt einen Fußgängerüberweg zu installieren - bisher leider erfolglos. Ich hoffe, als Landrat nicht nur den Anzingern an solch neuralgischen Punkten helfen zu können.

Ich danke für eure Aufmerksamkeit.

(Es gilt das gesprochene Wort)

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