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20.07.18 –
Besorgt über das Verhalten der CSU bei der Asylpolitik richteten sich die Kreistagsfraktion und der Kreisvorstand an die stellvertretende Vorsitzende der CSU und Abgeordnete des Europäischen Parlaments, in ihrer Partei dazu beizutragen, dass die politische Kultur nicht dauerhaft beschädigt wird (wir berichteten). Die Antwort von Frau Niebler ließ annähernd alle Fragen offen – hier ein 2. Versuch sie zu überzeugen.
Sehr geehrte Frau Dr. Niebler,
vielen Dank für Ihre Antwort auf unseren kritischen Offenen Brief an Sie. Politik muss sich an Werten orientieren. Sie dürfen auch in Wahlkampfzeiten nicht verraten werden. Ginge es uns um die Wahlchancen der Grünen in Bayern, hätten wir nur zusehen müssen, wie die CSU ihre Position weiter schwächt. Dass die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU beinahe geplatzt wäre, ist offensichtlich. Wer wüsste das besser als Sie?
Unsere Sorge galt und gilt aber dem Schicksal der Geflüchteten, der Stabilität der Demokratie bei uns und unseren Nachbarn, dem Erhalt unserer Grundwerte und dem Friedensprojekt Europa. Deshalb haben wir uns an Sie als Politikerin gewandt, die unmittelbaren Einfluss auf die Beratungen in diesen kritischen Tagen hatte. Und wer der Debatte der letzten Tage gefolgt ist, kann feststellen, dass sich viele skeptische bis ablehnende Stimmen in ihrer Partei nun Gehör verschaffen – auch aus unserem Landkreis.
„‘Asylanten‘ sind keine Kartoffel- oder Mehlsäcke, über deren sachgemäße Lagerung man streitet.“ Dieses Zitat ist aus einem SZ-Gastbeitrag von Norbert Blüm, dem langjährigen CDU-Bundessozialminister. Dass der polemische Umgang mit Sprache auch das Denken beschädigt, das hat der Bundesinnenminister mit seinem Kommentar zur Abschiebung der Afghanen an seinem Geburtstag gezeigt. Wo bleibt sein Respekt für die Menschenwürde der Flüchtlinge, zu dem ihn Artikel 1 des Grundgesetzes verpflichtet?
Wir sind uns einig in dem Bemühen, die Wähler*innen der AfD ins demokratische Spektrum zurückholen zu wollen. Das geht aber nur, wenn wir nicht ihre fremdenfeindliche Haltung übernehmen, rechtsstaatliche Grundsätze auch in der Flüchtlingspolitik stets achten und eine europäische, solidarische Bewältigung der Migration zustande bringen.
Dabei sehen wir natürlich auch die Grünen in der Pflicht. Als Mitglied zahlreicher Landes-regierungen haben wir auch schmerzende Regelungen mitgetragen. Die Rettung von Schiffbrüchigen, das gerichtlich überprüfbare individuelle Recht auf Asyl für politisch Verfolgte und das Schutzrecht nach der Genfer Flüchtlingskonvention aber stehen nicht zur Disposition.
Und wir lehnen jede Politik ab, die die offenen Grenzen in Europa gefährdet. Die auch in Ihrem Brief zitierte Angst der Bürger*innen vor einem Kontrollverlust hat doch mit der Realität wenig zu tun. Sie wird aber gern geschürt. Sie führen selbst aus, dass sich ein Zurück zu den alten Nationalismen schon aus wirtschaftlichen Gründen verbietet. An den deutschen Grenzübergängen gibt es derzeit nur noch ca. 400 Flüchtlinge täglich. Was die Existenz der Menschen wirklich gefährdet, sind Armut, schlechte Pflege, Wohnungsnot. Und was eine friedliche Zukunft Europas gefährdet, ist nationaler Egoismus, die Abkehr von liberaler Demokratie und Menschenrechten.
Worum geht es wirklich? Fluchtursachen zu reduzieren und das Dublin-System durch eine gerechtere Lastenverteilung in Europa für die Bewältigung der Migration zu ersetzen. Und wenn sich die Populisten in Wien, Budapest, Warschau und anderswo weigern, ihren Beitrag zu leisten, so kann doch die Bundesrepublik Deutschland niemand daran hindern, Griechenland, Italien und Spanien finanziell und organisatorisch zu unterstützen. Wenn dann die Mitgliedsstaaten, die ihren humanitären Verpflichtungen nachkommen, sich auf eine vorläufige Quotierung bei der Verteilung der Flüchtlinge einigen, schafft das Vertrauen unter den solidarischen Ländern. Das erleichtert dann eine Regelung der sogenannten Sekundärmigration, die Herr Söder gelobt hat, künftig nicht mehr ‚Asyltourismus‘ nennen zu wollen.
Aus unserer Arbeit mit Flüchtlingen im Landkreis wissen wir, dass sich die Jobcenter mit großem Engagement für deren Integration in den Arbeitsmarkt eingesetzt haben und dabei auch erfolgreich waren. Die von Ihnen genannte Zahl von 64500 beschäftigten Migranten in Bayern ist beachtlich. Wir erkennen das gerne an. Sie hätte aber noch größer sein können, wenn die Staatsregierung nicht wiederholt speziell bayerische Beschränkungen eingeführt hätte.
Wir sehen Anzeichen, dass sich die Debatte versachlicht und allen politischen Akteuren wieder bewusst wird, dass es bei dem Thema Flucht und Migration um menschliche Schicksale geht. Dabei hoffen wir auf Ihre Unterstützung.
Mit besten Grüßen
Traudl Höpfner Waltraud Gruber Reinhard Oellerer
1. offener Brief: Fatales Signal, vom 26. Juni 2018
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