Menü
04.08.19 –
Vom Amaranth bis zur Zwiebel – kaum eine Nutzpflanze sucht man vergebens im Storchengarten. Artischocken, Bohnen, Dinkel, Gurken, Hafer, Hirse, Kartoffeln, Lupinen, Mangold, Melone. Stevia, Süßkartoffeln… und noch viel mehr wuchert und blüht auf dem circa 250 m² großen Acker. Drum herum haben andere Gärtner Nutzpflanzen angebaut – alle unter Verzicht auf Pestizide und Insektizide.
Chemie-frei allein genügt aber nicht, sagt die Agraringenieurin Doris Seibt.
Eine wichtige, viel zu wenig beachtete Ursache für das dramatische Artensterben bei Insekten und Vögeln liege vielmehr auch darin, dass heute fast ausschließlich hybridisierte oder geklonte Sorten für Züchtung und Anbau verwendet werden. Und die enthalten kaum noch Pollen und Nektar, die Hauptnahrungsmittel vieler Insekten. Selbst im Ökolandbau würden teilweise, mangels Fördermitteln, nicht samenfeste Sorten verwendet. Diese sind entweder ganz steril, oder sie bringen Samen für Pflanzen hervor, die nicht mehr die gleichen Eigenschaften haben. Man erkennt sie an dem Zusatz „F1-Hybride“.
Im Unterschied dazu baut Doris mit ihre Helfern nur historische Arten an, deren Samen sie ursprünglich vom Institut für Pflanzengenetik in Gatersleben, Sachsen-Anhalt, bezogen und selber über Samen weiter vermehrt hat. Ziel ist, unseren Nachkommen die unschätzbar wertvolle historische Sortenvielfalt zu erhalten.
David gegen Goliath im Samen-Geschäft
Diese geht nämlich rasant verloren seit drei Mega-Unternehmen den Welt-Saatgut-Markt beherrschen. Kulturpflanzen, die sich über Jahrtausende an die regionalen Verhältnisse angepasst und auch unter schwierigen Verhältnissen überlebt haben, werden nicht mehr angebaut, weil sie weniger ertragreich sind als die von den Agrargiganten – samt Kunstdünger und Insektiziden - angebotenen Sorten.
Dagegen anzugehen gleicht einem Kampf „David gegen Goliath“. Motiviert wird Doris dazu, weil Sortenvielfalt nicht nur ein wichtiges Kulturgut, sondern vor allem ein wertvolles Genreservoir bedeutet: Die breite genetische Basis bietet den Pflanzen die Möglichkeit, sich an neue und unvorhergesehene Entwicklungen wie Krankheiten oder Klimaänderungen anzupassen. Für den Menschen haben diese Sorten obendrein den Vorteil, viel mehr Mineralstoffe und weniger Allergene zu beherbergen.
Viel Arbeit, wenig lokales Interesse
Dass solcherart gezüchtete und angebaute Gemüse und Kräuter selbstverständlich gut schmecken– davon konnten wir uns nicht nur an Ort und Stelle überzeugen – wir knabberten Mini-Gurken und naschten an mancherlei Blättchen – sondern bekamen auch selber gestochene Kartoffeln und Blattsalat mit nach Hause.
Doris` Erklärungen beim Rundgang durch das üppig bestückte Gemüsebeet machte uns aber bewusst, wie viel Arbeit in diesem kleinen Acker steckt. Schon lange hofft die Agraringenieurin deshalb auf mehr Unterstützung durch die Lokalpolitik, auch auf mehr Interesse seitens Schulen und Kindergärten. Nur vereinzelt hätten Politiker bisher den Weg zu dem einmaligen Projekt gefunden, ganz zu schweigen von finanziellen Hilfen aus Kommune oder Landkreis. Womöglich wird Doris das Projekt im nächsten Jahr nicht mehr weiter betreiben können – das wäre unendlich bedauernswert. Immerhin wurde es erst 2018 – bereits zum zweiten Mal – mit dem Biodiversitätspreis der UN ausgezeichnet.
Von: Bettina Goldner
Weitere Infos auf der Homepage des Storchengartens
und beim Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e. V., dem der Storchengarten angehört.
Infos zur Saatgutherstellung zum Beispiel hier
Kategorie
Diese Website ist gemacht mit TYPO3 GRÜNE, einem kostenlosen TYPO3-Template für alle Gliederungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
TYPO3 und sein Logo sind Marken der TYPO3 Association.