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26.04.19 –
EU-Ausländer im Landkreis scheinen mit den Lebensbedingungen hierzulande sehr zufrieden. Das Projekt „Europa“ ist aber kein Selbstläufer.
„Was gefällt Ihnen hier, was könnte anders oder besser sein?“, wollte der Grüne OV Ebersberg von nicht-deutschen Europäerinnen wissen, die schon länger im Landkreis leben. Ortsvorsitzender Matthias Konrad, der den Abend moderierte, ging es aber auch um die Erfahrungen der Teilnehmerinnen mit Europa.
„Wenn man in einem Land lebt, ist man mit Problemen konfrontiert, die der Urlauber dort nicht hat“, gab Madeleine Oelmann zu bedenken. Selbst in der Provence, wo ihr Elternhaus stand, muss es auf die Dauer nicht angenehmer sein als bei uns. Warum die Französin trotzdem nicht die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen wolle? Frau Oelmann sieht dafür überhaupt keinen Anlass, denn – dank EU – gibt es keine bürokratischen Hürden mehr (wie z.B. Anträge auf Aufenthaltsverlängerung) die den Alltag erschweren. Schon vor vielen Jahren wurde ihr Bildungsabschluss hier anerkannt.
Catarina Maurizi, seit knapp fünf Jahren in Deutschland, war in Italien jahrelang arbeitslos. Jetzt ist sie bei der Ebersberger Ausländerhilfe angestellt, wofür sie – dank EU – keine Arbeitserlaubnis braucht. Zwischen Deutschland und Italien kann sie jederzeit pendeln. „Nach acht Jahren hier kann ich den deutschen Pass beantragen und das werde ich dann auch tun“, sagte sie. Wenn es nach den Grünen geht, wird das künftig schon nach fünfjährigem Aufenthalt möglich sein, merkte Matthias an.
Neben ihrem englischen hat Sarah Wales seit dem Brexit-Votum auch den deutschen Pass. Bis ihre Landsleute für den Austritt aus der EU stimmten, hatte die Übersetzerin keinen Anlass dafür gesehen. Aber jetzt gibt ihr die doppelte Staatsbürgerschaft ein besseres Gefühl von wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit.
Fast ihr ganzes Leben hat Petra Behounek, Grüne Stadträtin in Ebersberg, in Deutschland verbracht. Als Österreicherin darf sie hier aber nur an den Kommunalwahlen teilnehmen, was sie vor allem bei den letzten Landtagswahlen und beim Artenschutz-Volksbegehren, sehr geschmerzt hat. Dass man heute ohne Weiteres zwei EU-Staaten angehören kann, wusste sie noch nicht. „Wo kann ich die deutsche Staatsbürgerschaft denn beantragen?“, fragte sie auf der Stelle.
Für ein stabiles Europa
Dass es so schön sein soll, in Deutschland zu leben, war den Zuhörer*innen nicht ganz geheuer. „Es muss doch auch bei Ihnen irgendwas besser sein!?“, forschte Ortsvorsitzende Claudia Peter. Schließlich fiel Madeleine Oelmann etwas ein: Geschwindigkeits-Begrenzungen auf den Autobahnen!“ Da applaudierten alle.
Das Maut- und das Rentensystem in Österreich – ebenfalls übereinstimmend als nachahmenswert empfunden. Dass – statistisch belegt - italienische Züge pünktlicher seien als die deutschen, wies Catarina Maurizi vehement zurück. Man einigte sich auf „billiger“.
Noch fühlen wir uns ziemlich sicher, aber die Lage könnte sich ändern. „Wir stehen vor einer Schicksalswahl“, so Matthias. Neben dem Erstarken von Populisten und rechten Nationalisten, die Europa ablehnen, bedrohten vor allem Klimakrise und Brexit die Stabilität des EU-Gefüges und die Errungenschaften der Gemeinschaft. Für äußerst bedenklich hält er auch die unterschiedlichen Sozialstandards in den Mitgliedsstaaten: „Am Rand Europas ist ein Armenhaus entstanden!“ Er verwies auf das Grüne Europa-Wahlprogramm, das ausführlich darstellt, wie Grundrechte gesichert und Teilhabe und Gleichberechtigung aus Grüner Sicht verwirklicht werden sollen.
Gemeinsame Sozial- und Bildungsstandards, gemeinsame Anstrengungen gegen den Klimawandel, sinnvoller Einsatz von Subventionen (vor allem im Agrarhaushalt), Daseinsvorsorge vor Privatisierung, zum Wohl der Menschen gesteuerte Digitalisierung, schließlich ein solidarisches Asylsystem und eine faire gemeinsame Außenpolitik – sind Grüne Ansätze, Europa weiter zu gestalten und den Frieden zu bewahren. Nur auf der Grundlage von Transparenz, Teilhabe und Mitwirken der Basis können sie umgesetzt werden, nicht zuletzt auch mit europaweiten Volksentscheiden.
Einen kleinen Beitrag, dezentral proeuropäische Aktivitäten zu fördern, hat unser OV mit seinem Europa-Abend wohl geleistet. Denn, da war man sich mit Frau Oelmann einig: „Es geht nicht nur darum, dass Politiker sich die Hände schütteln.“
Von: Bettina Goldner
Ein paar Zahlen: Laut SZ vom 16. 04.2019 haben im Jahr 2018 allein in Bayern 18.062 Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen, mit Abstand der höchste Wert seit 17 Jahren. Die meisten von ihnen stammten wieder aus EU-Staaten, nämlich mit 7781 über ein Drittel. Von diesen kam die Mehrzahl aus Rumänien (1437), gefolgt von Großbritannien (1329) und Italien (869).
Die meisten Nicht-EU-Bürger, die den deutschen Pass erhielten, waren Türken (2135). 1192 stammten aus den Nachfolgeländern Jugoslawiens, 652 aus dem Irak.
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