Bündnis 90/Die Grünen

im Landkreis Ebersberg

2. offener Brief zur Asylpolitik:"Kulturkampfrhetorik" ist unangebracht

Kreissprecher Tobias Vorburg wandte sich an das Sozialministerum um ein Umdenken in der bayrischen Asylpolitik einzufordern. Antwort erhielt er von MdL Thomas Huber (CSU). In einem offenen Brief widerspricht Tobias Vorburg der "Kulturkampfrhetorik" des

24.08.16 –

Ihre Antwort auf meinen "offenen Brief zur Asylpolitik" vom 22.08.2016

Sehr geehrter Herr Huber,

zunächst einmal möchte ich mich für Ihre ausführliche Antwort auf mein Schreiben bedanken. Zugleich weiß ich es zu schätzen, dass Sie dies im Urlaub erledigt haben. Ergänzend zu meinem "offenen Brief zur Asylpolitik" an Frau Staatsministerin Müller vom 10.06.2016 werde ich in diesem Schreiben Stellung beziehen.

1. Sukzessive Verringerung dezentraler Unterkünft

Aus Ihrem Schreiben lässt sich die Kernaussage herauslesen: "die dezentrale Unterbringung ist nicht der Generalschlüssel zur erfolgreichen Integration". Dies löst bei mir Unverständnis aus, was sich wie folgt begründen lässt:

Eines Ihrer Argumente ist der finanzielle Vorteil zentraler Unterkünfte. Dass dies fernab jeglicher Realität ist, lässt sich mit Beispielen aus dem Landkreis begründen: Nachdem die Traglufthalle in Grub (aus Steuermitteln finanziert) fast fertig gestellt wurde, hieß es Anfang August, dass diese aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Betrieb genommen wird. Medienberichten zufolge wird auch bei der Traglufthalle in Pliening der Vertrag in 2017 nicht verlängert - nach einer Nutzungsdauer von lediglich 10 Monaten.

Umzüge, die durch die Umverteilungspolitik seitens der Staatsregierung erzwungen wurden und werden, haben zur Folge, dass bereits begonnene, vom Staat finanzierte Integrationsmaßnahmen (Integrationskurse, Arbeitsintegrationsmaßnahmen von der Agentur für Arbeit etc.) vorzeitig und ohne effizientes Ergebnis beendet werden. Anderorts beginnen Asylbewerber diese Maßnahmen erneut, wieder auf Kosten der Staatskasse bzw. des Steuerzahlers. Der Verwaltungsaufwand der Behörden und die dadurch entstandene Mehrarbeit kommen noch dazu.

Es ist selbstredend und logisch, dass der Verbrauch, z.B. an Strom in zentralen Großunterkünften, deutlich höher ist als in kleinen Wohneinheiten. Das Licht in einem Container erlischt wenn alle schlafen gehen, in einer Traglufthalle ist es auch in der Nacht an.

Wie Sie sicher wissen, fallen auch Kosten in Großunterkünften aufgrund gesetzlicher Regelungen an, die es in dezentralen Unterkünften nicht gibt. Wie beispielsweise ein Sicherheitsdienst.

Mir stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit Ihrer Argumentation, zentrale Unterkünfte würden einen ökonomischen Vorteil haben, insbesondere am Beispiel Ebersberg.

Ihre Kernaussage begründen Sie weiter damit, dass es nicht rentabel ist, Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive in dezentralen Unterkünften unterzubringen und ihnen Maßnahmen zur Integration zukommen zu lassen. Nachfolgend möchte ich Ihnen hierzu Zahlen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus der Asylgeschäftsstatistik 2016 aufzeigen:

TOP 5 Herkunftsländer - Gesamtschutzquote:

1. Syrien 98, 1 %
2. Afghanistan 44,5 %
3. Irak 77,8 %
4. Iran 55,4 %
5. Eritrea 95 %

Dublin-Fälle mit eingerechnet. Nach Abzug dieser würde die Gesamtschutzquote deutlich höher ausfallen. Bespiel Afghanistan: 78 % positive Bescheide bei geklärter Zuständigkeit der BRD.

Ihre Argumentation ist dadurch schlichtweg falsch! Die Menschen die zu uns kommen haben eine berechtigterweise hohe Schutzquote, sprich sehr gute Bleibeperspektiven. Ziel einer weitsichtigen Asylpolitik muss es sein, diesen Menschen von Beginn an die bestmöglichsten Chancen für eine gelingende Integration zu eröffnen. Dies geschieht, wie Sie es selbst in Ihrem Schreiben festgestellt haben, durch die "Nähe zur deutschen Bevölkerung". Denn dadurch "gelingt Integration leichter und schneller". Sie haben richtig geschrieben, dass "in vielen Fällen gewachsene Beziehungen zwischen Ehrenamtlichen und Flüchtlingen durch einen abrupten Wegzug enden". Das Ergebnis: Frustration und Resignation.

Maßgebende Rahmenbedingungen für eine gelingende Integration sind:

  • Dezentrale Unterkünfte. Dadurch ist eine engere Anbindung gewährleistet und Maßnahmen können leichter durch Haupt- und ehrenamtliche Asylhelfer initiiert und koordiniert werden.
  • Höhere Ausgaben für Berufsintegrationsmaßnahmen. Die Refinanzierung ist bei Arbeitsmarkteintritt selbstredend.
  • Die Möglichkeit für afghanische Asylbewerber, deren Schutzquote hoch ist, bereits im laufenden Asylverfahren einen Integrationskurs zu besuchen.

Auf Antrag der Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen wurde im Kreistag Ende Juli eine lebhafte Debatte im Kreistag zur Unterbringung von Asylbewerbern im Landkreis geführt. Da Sie selbst Mitglied des Kreistages sind und bei erwähnter Sitzung anwesend waren, ist Ihnen das Ergebnis sicherlich bekannt: Nahezu alle Fraktionen im Kreistag äußerten sich kritisch und machten ihren Unmut Luft. In den Redebeiträgen wurde deutlich, wie unzufrieden sie mit dem jetzigen "Stillstand" bei der Realisierung dezentraler Flüchtlingsunterkünfte sind. Das Ergebnis dieser Debatte war das dringende Anliegen, weiter dezentrale Unterkünfte zu fördern. Darüber herrschte Einigkeit, mit dem Landrat, der Verwaltung und interfraktionell. Die Diskussion hat deutlich die Meinung der CSU- Fraktion, des Landrats Niedergesäß und des gesamten Kreistags gezeigt - erklären Sie diese berechtigten Anliegen nicht zur Makulatur!

2. Gesetzesentwurf für ein Bayerisches Integrationsgesetz

Sie betonen, dass das Bayerische Sozialministerium die Meinung aus 225 Verbänden vorab angehört hat und so den Gesetzentwurf auf breite gesellschaftliche Basis gestellt hätte.

Nachfolgend einige Zitate von Verbandsangehörigen:

Hedwig Krimmer (verdi - Gewerkschaftssekretärin): "Ich habe nur ein Wort für den Entwurf der #CSU: Pamphlet. Dieses Papier ist ein Angriff auf uns alle!"

Peter Kammerer (stv. Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern): "Wir finden hier sehr viele Rechtsbegriffe im Gesetz der CSU und die sind sehr interpretationsfähig."

Manfred Bosl (Vorstand Initiativgruppe München): "Ich würde auch gerne das Wahlrecht für alle in ein Integrationsgesetz schreiben wollen."

Dr. Vural Ünlü (Vorstandsvorsitzender Türkische Gemeinde Bayern) "Das Gesetz der CSU liest sich wie ein Anti-Islam-Gesetz"

Mitra Sharifi Neystanak (Vorsitzende AGABY):"Wir fordern eine antirassistische Erziehung für alle Kinder. Nur dann kann Integration gelingen."

Michael Stenger (Vorstandsvorsitzender Trägerkreis Junge Flüchtlinge e.V.) "Wir müssen den gesamtgesellschaftlichen Benefit der Integration herausstellen."

Insbesondere die Meinung von Migranten-Organisationen stößt bei der CSU auf taube Ohren. Sind es aber nicht genau diejenigen, deren fachliche Expertise bei einem Gesetz dieser Art berücksichtigt werden sollten?

Ich denke ja, entschieden ja!

Ebenso kritisieren Gewerkschaften und Verbände ein weltfremdes und einseitiges Verständnis von Integration und völlig fehlgeleitete Ansätze.

Ich hebe gerne einige Zitate Ihrerseits hervor: 

  • "Das Bekenntnis zur Leitkultur, also zur identitätsbildenden Prägung unseres Landes" 
  • "Wer unsere Recht- und Werteordnung missachtet, muss an einem "Grundkurs" darüber teilnehmen, ansonsten riskiert er ein Bußgeld" 
  • "Wenn radikale Imame die Scharia durchsetzen wollen und unsere verfassungsmäßige Ordnung bekämpfen, droht ihnen ein empfindliches Bußgeld" 
  • "Die Kommunen erhalten - ausgehend von den Negativerfahrungen vieler Kommunen bei der Nutzung von Frei- und Hallenbädern - die Möglichkeit, den Zutritt zu ihren öffentlichen Einrichtungen - also Schwimmbad, Bücherei, Stadion etc. - von einer vorherigen Belehrung über die dort einzuhaltenden Regeln abhängig zu machen, wenn sie vermuten, dass diese dem ausländischen Nutzer nicht bekannt sind." 
  • "Wer lange genug Zeit hatte, Deutsch zu lernen, es aber nicht getan hat, der muss künftig einen Dolmetscher selbst bezahlen"

Mit dieser Kulturkampfrhetorik machen Sie einen Kniefall vor der AfD! Sie brüsten sich mit dem Satz "Fördern durch Fordern". Allerdings leite ich aus Ihren Aussagen lediglich Forderungen ab.

Folgende Grundsätze sollten dagegen meiner Meinung nach verwirklicht werden:

  • Bewusstsein für gegenseitige Offenheit
  • Anerkennung der sozialen, kulturellen und ökonomischen Potenziale der Zugewanderten
  • Interkulturelle Öffnung der Verwaltung (Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst)
  • Gezielte Förderung der interkulturellen Kompetenz der Bediensteten in der Verwaltung
  • Ein Integrationsministerium 
  • Rahmenbedingungen für den Zugang zur schulischen Bildung
  • Kommunale Integrationszentren
  • Der Begriff "Leitkultur" löst eine "Lederhosn statt Burka Diskussion" aus, die niemand braucht!

Sehr geehrter Herr Huber,

abschließend möchte ich mich für Ihre anerkennenden Worte für meinen Einsatz auf der "Sea Eye" bedanken und ihr Interesse dafür. Wir sind einer Meinung, dass es das Beste wäre, wenn Menschen diese Flucht erst gar nicht antreten müssten. Dafür bedarf es einer Anstrengung auf Bundesebene, die ich nachdrücklich unterstütze! Ebenso würde ich einheitliche europäische Standards für die Unterbringung von Asylbewerben in Europa begrüßen. Ich habe meinen Realitätssinn nicht verloren und weiß genau so gut wie Sie, dass Deutschland nicht die alleinige Last dieser humanitären Katastrophe tragen kann. Richten wir dennoch den Blick auf diejenigen, die den gefährlichen Weg geschafft haben und hier angekommen sind. Wird den Menschen hier der Weg für bestmöglichste Integration geschaffen, bin ich mir sicher, dass wir nachhaltig davon profitieren können.

Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Urlaub, stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Tobias Vorburg

Kategorie

Asyl/Integration

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