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11.04.23 –
Franz Greithanner war drei Mal für jeweils 5 Jahre als ehrenamtlicher Jugendschöffe tätig. Er gab in Aßling vor interessierten Zuhörer*innen einen Einblick, worauf es bei diesem wichtigen gesellschaftlichen Amt ankommt, was erwartet wird, mit welchem Aufwand zu rechnen ist und welche Erfahrungen gemacht werden.
Anhand der Aufzeichnungen von Rechtsanwalt David-Joshua Grziwa konnte Franz Greithanner häufige Fragen zu diesem Rechtsbereich beantworten und mit eigenen Erfahrungen interssante und spannende Einblicke gewähren:
Das Jugendstrafrecht ist ein besonderes Strafrecht für jüngere Beschuldigte. Es sieht insbesondere spezielle Rechtsfolgen vor, die auf Jugendliche zugeschnitten sind. Insoweit ergeben sich einige bedeutende Abweichungen vom allgemeinen Strafrecht, die in jeder Lage des Verfahrens beachtet werden müssen. Deswegen sollte man auch im Jugendstrafrecht darauf achten, sich durch einen Strafverteidiger vertreten zu lassen, der sich mit der Materie auskennt und über ausreichende Erfahrung verfügt.
Für wen gilt das Jugendstrafrecht?
Das Jugendstrafrecht gilt zunächst für alle Personen unter 18 Jahren (sog. Jugendliche). Außerdem kann es auch auf „Heranwachsende“, also auf Personen unter 21 Jahren angewandt werden. Hier kommt es aber darauf an, ob das Gericht den Beschuldigten eher einem Jugendlichen oder eher einem Erwachsenen gleichstellt.
Beim Alter kommt es aber auf den Tatzeitpunkt an, nicht auf das Alter zum Zeitpunkt der Verhandlung.
Wer zum Tatzeitpunkt noch nicht 14 Jahre alt war, macht sich aber überhaupt nicht strafbar. Hier können allenfalls familienrechtliche Konsequenzen erfolgen.
Worin unterscheidet das Jugendstrafrecht vom allgemeinen Strafrecht?
Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) ersetzt das allgemeine Strafgesetzbuch (StGB) nicht völlig, sondern ordnet nur gewisse Unterschiede zum „Erwachsenenstrafrecht“ an.
Die Straftaten im Jugendstrafrecht sind grundsätzlich die gleichen wie im allgemeinen Strafrecht. Ein Diebstahl ist ein Diebstahl, egal wie alt der Täter ist.
Allerdings sind die Rechtsfolgen ganz andere: Während das StGB für alle Straftaten nur Freiheitsstrafe (Gefängnis) und ggf. noch Geldstrafe vorsieht, gibt es im JGG ganz unterschiedliche Möglichkeiten der Ahndung.
Wie läuft das Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende ab?
Wie im allgemeinen Strafrecht ermittelt zunächst einmal die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt und lässt sich dabei ggf. durch die Polizei unterstützen. Auch im Jugendrecht kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen, wenn die Schuld gering ist oder sich der Verdacht nicht erhärtet.
Während des Verfahrens erfolgt in der Regel ein Gespräch mit der Jugendgerichtshilfe. Diese versucht, die Lebensumstände des Beschuldigten herauszufinden und befragt ihn zu seiner Familiensituation sowie zu seinem beruflichen bzw. schulischen Stand.
Am Ende des Verfahrens erfolgt dann, soweit das Verfahren nicht eingestellt wird, die Anklage zum Jugendgericht, vor dem die Hauptverhandlung durchgeführt wird.
Welche Richter entscheiden über mich?
In der Regel findet das Verfahren vor dem Amtsgericht statt. Hier ist normalerweise der Jugendrichter zuständig, der alleine über den Fall entscheidet. Er berücksichtigt aber natürlich auch, was die Jugendgerichtshilfe, der Staatsanwalt und der Verteidiger sagen.
Schwerere Fälle werden durch das Jugendschöffengericht beim Amtsgericht verhandelt. Hier entscheiden zwei Schöffen, also ganz normale Bürger, die keine Juristen sind, gleichberechtigt mit dem Richter.
Die Jugendkammer beim Landgericht ist nur sehr selten zuständig, z. B. bei Tötungsdelikten oder wenn gegen einen erwachsenen Mitangeklagten eine hohe Freiheitsstrafe zu erwarten ist. Hier urteilen zwei oder drei Richter und zwei Schöffen.
Ist die Verhandlung öffentlich?
Nur bei Heranwachsenden. Bei Jugendlichen ist die Verhandlung dagegen immer nichtöffentlich, um die Angeklagten zu schützen.
Dürfen meine Eltern an der Verhandlung teilnehmen?
Ja, trotz der Nichtöffentlichkeit der Verhandlung haben die Erziehungsberechtigten das Recht auf Anwesenheit.
Welche Ahndungsmöglichkeiten gibt es im Jugendrecht?
Das JGG unterscheidet folgende Sanktionen:
Daneben sind noch Maßregeln (z. B. die Unterbringung in der Therapie) sowie Fahrverbot und Führerscheinentzug zulässig.
Wonach wählt der Richter diese Sanktionen aus?
Da es keine festen Strafrahmen gibt, erfolgt die Auswahl grundsätzlich nach freiem Ermessen des Richters. Er sieht sich den Angeklagten an und wählt aufgrund seiner Persönlichkeit und der Umstände der Tat die Rechtsfolgen aus, die ihm hier sinnvoll erscheinen.
Welche Rechtsfolgen genau zu erwarten sind, kann Ihnen Ihr Anwalt auch nicht sicher zusagen, aber er kann Ihnen jedenfalls übertriebene Ängste nehmen.
Ablauf einer Jugendgerichtsverhandlung
Über den Ablauf einer Jugendgerichtsverhandlung können Sie sich hier informieren
Franz Greithanner nahm die Zuhörenden förmlich mit in die Gerichtsverhandlungen und gab spannende Einblicke. Anschaulich stellte er heraus, dass es nicht darum geht Jugendliche Straftäter zu bestrafen, sondern ihnen eine Chance für die Zukunft zu eröffnen.
Franz Greithanner hat selbst viel Positives aus diesem Amt mitgenommen: „Selbst entscheiden und beurteilen zu müssen, ist eine sehr wichtige Erfahrung.“ Dazu passt für ihn ein Zitat von Tucholski besonders gut: „Wenn du Geschworener bist, laß nicht die Anschauung deiner Klasse und deiner Kreise als die allein mögliche gelten. Es gibt auch andre – vielleicht schlechtere, vielleicht bessere, jedenfalls andre.“
Von: Waltraud Gruber
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