Bündnis 90/Die Grünen

im Landkreis Ebersberg

Recht auf Asyl

Offener Brief zum Ergebnis der Sondierungsgespräche

Tobias Vorburg, Sprecher des Aktivkreises Flüchtlinge Markt Schwaben, richtete sich an den SPD Kreisverband. Er kritisiert den Anti-Asylkurs der CSU und zeigt seine Enttäuschung, dass nun auch „die SPD auf diesen Zug aufspringt“.

18.01.18 –

Den Wortlaut des Offenen  Briefs lesen Sie hier:

„Sehr geehrte Frau Rauscher, sehr geehrter Herr Vogt,

mit Entsetzen, absolutem Unverständnis und mit einer großen Portion Wut im Bauch beobachte ich und meine Mitstreiter vom Aktivkreis Flüchtlinge die Haltung der SPD innerhalb der abgeschlossenen Sondierungen um die Neubildung einer Großen Koalition. Mir ist bewusst, dass Sie als Kreisverband dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden können, dennoch ist es mir ein Anliegen, dem Organ einer basisdemokratischen Partei folgende Zeilen in Form eines offenen Briefes zukommen zu lassen:

Schon länger habe ich das Gefühl,  ein Widerstandskämpfer in meinem eigenen Land zu sein. Das abstruse daran ist, dass es mir und den meisten meiner ehrenamtlichen Kolleginnen einzig und allein darum geht Menschenrechte zu wahren, die Achtung vor dem Anderssein im Alltag zu leben und einen Beitrag zur gelingenden Integration zu leisten. Insbesondere in Bayern, das werden Sie beide mindestens genauso gut wissen wie ich, ist die Situation mit dem Anti-Asylkurs der CSU im Vergleich zu anderen Bundesländern von besonderer Brisanz geprägt. Nach mittlerweile zweieinhalb Jahren ehrenamtliche Flüchtlingshilfe bin ich an dem Punkt angekommen zu sagen, dass sämtliche inszenierte „Gesprächsforen“ mit  Vertretern der Landesregierung bzw. CSU-Politikern an Wirkungskraft den Faktor null aufweisen.

Umso erschreckender empfinde ich es daher, dass nun auch die SPD auf diesen Zug aufspringt. Betrachtet man die erzielten Ergebnisse der Sondierungsgespräche muss man zu dem Entschluss kommen, die SPD opfert die Rechte Geflüchteter auf dem Altar der Großen Koalition.

„Wir bekennen uns strikt zum Recht auf Asyl und zum Grundwertekatalog im Grundgesetz, zur Genfer Flüchtlingskonvention, zu den aus dem Recht der EU resultierenden Verpflichtungen zur Bearbeitung jedes Asylantrags sowie zur UN-Kinderrechtskonvention“.

Diese Sätze kommen Ihnen vielleicht bekannt vor. So beginnt nämlich der Abschnitt des Ergebnispapiers zur Flüchtlingspolitik. Es ist doch perfide sich auf die UN-Kinderrechtskonvention zu berufen und zeitgleich den Familiennachzug für Subsidiär Geschütze weiterhin auszusetzten bzw. ihn in „gestaffelter Form“ zuzulassen. Was auf den ersten Blick wie ein netter Versuch aussieht, einen Kompromiss mit einer Hardliner-Partei zu schließen, führt zu dem Effekt, dass Kinder und Frauen länger in Kriegsgebiete bzw. in hygienisch und infrastrukturell widrigen Flüchtlingscamps in den Transitländern ausharren müssen. Man kann von einer „win-lose“ Situation sprechen. Ein Gewinn für die zunehmende rechtspopulistische Politik, eine Absage an die Menschlichkeit! Eine Absage an die die sich das natürlichste der Welt wünschen, nämlich bei Ihrer Familie zu sein. Eine Absage an die Kinder in Syrien, im Libanon, Äthiopien oder im Sudan! Dazu kann man noch ergänzend sagen, dass das SPD-geführte Auswärtige Amt bereits seit Anfang 2017 die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums im Rahmen der Familienzusammenführung für eritreische und somalische Antragsstellerinnen so hoch angesetzt hat, dass es vielen schlichtweg nicht möglich ist, diese zu erfüllen.

Man steuert auf eine Situation zu, die es bereits 1993 gab:

„Wir schützen das Recht auf Asyl, hängen aber die Messlatte so hoch, dass es die meisten nicht erreichen werden“.  Besonders der Beschluss Flüchtlinge solange in Lagern festzusetzen, bis das Verfahren abgeschlossen ist, werte ich als katastrophal! Innerhalb der vergangenen Jahre wurde die Erfahrung gemacht, dass diese Zentren, Zentren der Ausgrenzung sind. Flüchtlinge werden von Beratung, Betreuung, Unterstützung und dem Kontakt zur heimischen Bevölkerung abgeschnitten.  Im Ergebnis kommen schlechte, teils nicht mit geltendem EU-Recht vereinbare Asylentscheidungen zu Stande, wo man aufgrund der hiesigen Strukturen mit keinerlei Hilfestellung rechnen kann. Die Zahl an psychischen Erkrankungen, Weiterflucht in andere EU-Staaten oder Untertauchen werden drastisch steigen. Eine fundamentale Absage an Integration, dafür aber eine deutliche Aussage, dass man Flüchtlinge nicht erwünscht!

Wie kann man von Rechtsstaat, Gerechtigkeit und Solidarität sprechen, wenn man solche Orte der Kriminalisierung und Illegalisierung entstehen lässt? Ist es nicht schäbig, solche großen Worte in den Mund zu nehmen und völlig konträr zu handeln? Seit dem Asylkompromiss von ´93 schützen Regelungen der Europäischen Union den Flüchtlingsschutz in Deutschland. Ich frage mich, wer denn künftig für Menschen die ihre Heimat verlassen mussten eintreten wird, wenn selbst linksorientierte Parteien in Deutschland ihre Ideale überwerfen und damit den Rechtspopulisten einen Freifahrtsschein für den Ausbau einer inhumanen Flüchtlingspolitik  ausstellen?

Sehr geehrte Frau Rauscher, sehr geehrter Herr Vogt, ich fordere Sie im Namen des Aktivkreises Flüchtlinge in aller Deutlichkeit auf, innerhalb Ihrer Partei eine Stimme für diejenigen zu erheben, die schon lange keine mehr haben. Nutzen Sie die bereits angesprochenen basisdemokratischen Strukturen und erteilen sie den Plänen Ihrer Parteifunktionäre eine Absage!

Willy Brandt, der selbst geflohen ist, würde Ihnen dankbar sein!

Mit freundlichen Grüßen

gez. Tobias Vorburg
Leiter Aktivkreis Flüchtlinge Markt Schwaben"

Kategorie

Asyl/Integration

Diese Website ist gemacht mit TYPO3 GRÜNE, einem kostenlosen TYPO3-Template für alle Gliederungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
TYPO3 und sein Logo sind Marken der TYPO3 Association.