Bündnis 90/Die Grünen

im Landkreis Ebersberg

Zum Tod von Sepp Daxenberger

26.08.10 –

Trauerrede von Margarete Bause, Fraktionsvorsitzende

 

Liebe Familie Daxenberger, liebe Verwandte, liebe Freunde und Wegbegleiterinnen von Sepp und Gertraud, liebe Trauergäste,

als wir uns vor gut einem Monat im Landtag in die Sommerpause verabschiedet haben, hat niemand gedacht, dass der Sepp und die Gertraud noch vor Ende des Sommers nicht mehr bei uns sein würde. Niemand konnte sich vorstellen, dass er einmal sagen würde "Jetzt kann i nimmer". Wir wollten es nicht denken, nicht wahrhaben. Wir gingen davon aus, dass der Sepp nach seinem Krankenhausaufenthalt wieder kommen würde. So, wie er seit Jahren immer wieder gekommen ist, von den oft schmerzhaften Therapien, den Bestrahlungen, der Chemo. Ein bisschen schwächer vielleicht, ein bisschen verletzlicher, aber immer unser Sepp, wie wir ihn kannten: ohne Jammern, ohne Selbstmitleid, ohne große Worte, aber mit einer riesigen Portion Optimismus, Humor, Herzlichkeit und einem ungebrochenen Veränderungswillen. Als er im Juni den Fraktionsvorsitz niederlegte, merkten wir natürlich, dass ihm langsam die Kraft ausging. Und wenn ich mir heute noch mal seine Email von damals durchlese, mit der er die Fraktion einen Tag vor der Fraktionssitzung über seinen Schritt informierte, dann wird mir das Herz schwer. Unter dem Betreff "persönliches Anliegen" schreibt der Sepp am 8. Juni an uns:

 

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,

nach Ende der Pfingstferien muss ich mich mit einem persönlichen Anliegen an die Fraktionsmitglieder wenden.

Hiermit möchte ich Euch meinen Rücktritt zum nächst möglichen Termin vom Fraktionsvorstand der Landtagsfraktion bekannt geben.

Ich bitte um Verständnis für diesen Schritt, der mir nicht leicht gefallen ist, aber es muss jetzt sein. Ich habe derzeit nicht die Energie und die Kraft, die notwendig wäre, um die bisherige Arbeit im Fraktionsvorstand weiter zu leisten. Ich habe es mir eigentlich nie wirklich vorstellen können, dass es eine Situation geben wird, wo andere Dinge weit über der Politik stehen. Jetzt ist die Situation gekommen. Das bisschen Kraft und die wenige Energie, die ich noch habe, verbrauche ich für mich und meine Familie. Mehr habe ich derzeit nicht, tut mir leid.

Es ist schon komisch, wenn man als leidenschaftlicher Politiker plötzlich mitbekommt, dass Vieles, was einem bis vor kurzem wichtig war und interessiert hat, plötzlich für einen völlig uninteressant ist.

Es fällt mir nicht leicht. Ich habe mir bis vor kurzem gedacht, ich bin ein harter Hund und steck alles weg. Aber die Grenzen sehe ich derzeit allzu deutlich und ich muss auch Schwäche zulassen können.

Herzliche Grüße und danke,

Sepp"

 

In den vergangenen Tagen ist viel über Sepp Daxenberger geschrieben und gesagt worden: wie außergewöhnlich er war, wie unbeugsam, wie glaubwürdig, für viele ein Vorbild, ein Mutmacher, ein Hoffnungsträger. Ja, das war er, und noch vieles mehr.

Manches hat auch nicht ganz gestimmt. Zum Beispiel die Geschichte, dass er immer Schafkopfkarten in seinem Rucksack dabei gehabt hat. Der Sepp hatte nie Schafkopfkarten dabei, weil er nämlich gar nicht Schafkopfen gespielt hat. Das konnte er gar nicht. Genau so wenig wie den Kopf hängen zu lassen oder untätig rumzuhocken.

Aber sonst konnte er verdammt viel: scheinbare Widersprüche wie selbstverständlich miteinander vereinen, die scheinbar unbesiegbare CSU das Fürchten lehren, die Köpfe und die Herzen der Menschen gewinnen, Witze erzählen, sich in einen monatelangen aufreibenden Wahlkampf stürzen, 7 Tage die Woche unterwegs sein und dann sagen, Wahlkampf ist wie Urlaub.

Am meisten hat mich seine Kraft beeindruckt, seine ungeheuere innere Kraft, seine unbedingte Lebensbejahung. In einem Interview hat er auf die Frage, ob er ein optimistischer Mensch sei, gesagt:

"Immer. Sonst würde ich auch keine Politik machen. Ich sage zu den Leuten auf den Veranstaltungen immer: wenn ich kein Optimist wäre, dann würde ich daheim auf der Couch liegen und die Millionenshow anschauen."

Beeindruckt hat mich seine Gabe, die kompliziertesten Zusammenhänge mit einfachen klaren Worten auf den Punkt zu bringen. Den Irrsinn der herrschenden Agrarpolitik hat er so beschrieben:

"Was bei uns in vielen Bereichen geschieht, ist nichts als subventionierte Unvernunft. So kauft man in Brasilien Soja als Futtermittel, um damit jene hohen Überschüsse zu produzieren, die bei uns die Preise kaputt machen. Die selben Überschüsse werden dann mit Steuergeldern weiter verbilligt, um sie in Länder der sogenannten Dritten Welt zu exportieren - mit dem Erfolg, dass man deren Landwirtschaft kaputt macht, weil die dortigen Bauern mit den Billigimporten nicht konkurrieren können. Wäre es nicht vernünftiger, den Menschen dort erst gar nichts wegzunehmen? Dann hätten wir auch nicht das Problem mit den Überschüssen. Das Milchproblem der EU wäre schnell gelöst, würde man bei uns Milch mit dem erzeugen, was bei uns wächst."

Das war das Überzeugende am Sepp: bei allem hat er Bezug genommen auf die eigene Praxis, auf die eigene Erfahrung.

Beeindruckt hat mich sein untrügliches Gespür dafür, was echt ist und was verlogen. Bei ihm hatte die Verbundenheit mit der Heimat nichts zu tun mit Heimattümelei und seine religiöse Überzeugung nichts mit zur Schau gestellter Frömmelei. Seine Liebe zur Natur hatte nichts Sentimentales oder Verkitschtes. Seine Wertorientierung hatte nichts zu damit zu tun, anderen Moral zu predigen. Nichts war ihm mehr zuwider als Rechthaberei, Wichtigtuerei und Angebertum.

Beeindruckt hat mich seine Fähigkeit in unterschiedlichen Welten zu leben. Nicht nur sie zu kennen, nicht nur sich darin bewegen zu können, sondern gleichzeitig in ihnen zu leben, dazuzugehören. Bei der Trauerfeier in Waging hat der Ecker Josef vom Trachtenverein gesagt, der Sepp war einer von uns. Ja, und der Sepp war einer von uns. Der Sepp selber hat solche Einteilungen nicht akzeptiert.

"Ich hab solche Schubladen nie akzeptiert", hat er einmal gesagt, "ich war immer schon in verschiedenen Kreisen zuhause - in meinem Dorf, beim Fußballverein, bei der Freiwilligen Feuerwehr, am Stammtisch, in der Kirche - bei den Alternativen in Diskussionskreisen, Veranstaltungen, Demonstrationen, im Forum Ökologie. Ich hab immer versucht, bei den einen die anderen zu vertreten und umgekehrt - so als Art Mittelsperson - schon auf der Realschule, wo ich Schulsprecher war. Das liegt mir einfach."

"Sepp, du bist Bayern", hat Claudia Roth in Waging gesagt. Was ich noch viel bemerkenswerter finde: Sepp, du hast Bayern verändert. Mit deinem Wirken ist Bayern weltoffener und liebenswerter und menschlicher geworden. Du hast uns gezeigt: man kann nur verändern, was man liebt. Und Bayern ist unser Bayern, ist mein Bayern.

Was bleibt von Dir?

Die Erinnerung an einen wunderbaren Menschen und die Dankbarkeit dich gekannt, dich erlebt zu haben, mit dir gelacht und gekämpft zu haben. Und es bleiben dein Wirken, deine Werte, deine Überzeugungen, deine Ziele. Dein Einsatz für die ökologische Landwirtschaft und gesunde Lebensmittel und dein Kampf gegen die Gentechnik auf dem Teller und im Stall. Dein Eintreten für Erneuerbare Energie und gegen die Atomkraft. Deine Verbundenheit mit Natur und Umwelt und dein Kampf gegen unsinnige Großprojekte wie den Donauausbau, die A 94 oder die 3.Startbahn am Münchner Flughafen. Dein Engagement für starke handlungsfähige Kommunen und deine Kritik an Zentralisierung und Privatisierung der Daseinsvorsorge. Dein Einsatz für gerechte Bildungschancen für jedes einzelne Kind und für den Erhalt der Schulen auf dem Land.

All diese Ziele sind auch unsere Ziele als Grüne. Und wir versprechen dir Sepp, wir werden uns mit all unserer Kraft dafür einsetzen, uns dafür stark machen. Wir müssen es in Zukunft ohne dich tun, Sepp, und wir werden es auch auf eine andere Art tun als du. Dich kopieren kann eh niemand. Wir fühlen uns mit dir verbunden, wenn wir deine Werte leben und deine Ziele in die Realität umsetzen.

Danke, Sepp

 

Trauergottesdienst für Sepp Daxenberger
am 26.8. 2010
Mariahilfkirche, München

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