Bündnis 90/Die Grünen

im Landkreis Ebersberg

Bürokratieabbau als Kulturwandel

Jojo Becher im Café Mala:

30.10.25 –

Rund 35 Bürgerinnen und Bürger kamen am Donnerstagabend ins Café Mala in Ebersberg, um mit Johannse Becher, stellvertretendem Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bayerischen Landtag, über Bürokratieabbau und Digitalisierung zu sprechen. Eingeladen hatte der Kreisverband der Grünen Ebersberg.

Zunächst sprach Becher über eine Stunde lang über seine Erfahrungen und Beobachtungen – klar strukturiert, faktenreich und immer wieder mit Beispielen aus der politischen Praxis. Im Anschluss entwickelte sich eine angeregte Diskussion, in der zahlreiche Fragen, Impulse und auch Kritikpunkte aus dem Publikum aufgegriffen wurden.

Im Mittelpunkt stand die Frage, wie Verwaltung in Deutschland effizienter, digitaler und bürgerfreundlicher werden kann. Becher berichtete von einer Delegationsreise nach Dänemark und Schweden, wo Verwaltung als Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger verstanden wird. Niemand müsse dort dieselben Daten mehrfach eingeben, Prozesse seien standardisiert, digital und verständlich. Diese konsequente Serviceorientierung sei eine Haltung, die auch in Deutschland stärker verankert werden müsse.

Digitalisierung ist mehr als die Umstellung auf Onlineformulare

Becher betonte, dass Digitalisierung weit über Onlineformulare hinausgehen müsse. Auch interne Abläufe in Behörden sollten digital funktionieren. Als Beispiel nannte er den bayerischen Landtag, wo Personalakten teils noch in Papierform geführt werden. „Bis 2030 alle Akten zu scannen ist kein Fortschritt, wenn man sie trotzdem nicht durchsuchen kann“, sagte Becher. Digitalisierung müsse echte Effizienz schaffen, nicht nur den Papierstapel ins Digitale verlagern.

Ein zentrales Thema war die Demografie. Becher machte deutlich, dass der vielzitierte Fachkräftemangel nicht bloß ein organisatorisches Problem sei, sondern Ausdruck einer strukturellen Entwicklung: „Wir werden schlicht weniger. Es gibt immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter – und das trifft Wirtschaft und Verwaltung gleichermaßen.“ Wenn also Personal fehle, müsse der Staat seine Prozesse schlauer und einfacher gestalten, um handlungsfähig zu bleiben.

Tief verwurzelte Angstkultur

Dabei gehe es beim Bürokratieabbau nicht nur um Technik, sondern auch um Haltung und Kultur. Becher sprach von einer tief verwurzelten Angstkultur, die Fehler vermeiden will, statt sie als Lernchance zu begreifen. „Wir regeln jede Ausnahme und jedes Restrisiko – und blockieren uns damit selbst.“ Veränderung brauche Mut zum Ausprobieren und eine Fehlerkultur, die Lernen zulässt, statt zu bestrafen. Dieser Gedanke fand im Publikum breite Zustimmung.

Auch der Datenschutz wurde kritisch angesprochen. Manche befürchteten den „gläsernen Bürger“. Becher entgegnete, Datenschutz müsse nicht Hindernis, sondern Gestaltungsaufgabe sein. Bürgerinnen und Bürger sollten jederzeit sehen können, wer auf ihre Daten zugreift, und ein Widerspruchsrecht behalten. „Transparenz schafft Vertrauen – und Vertrauen ist die Grundlage jeder modernen Verwaltung“, sagte er.

In der Diskussion wurde außerdem die Frage aufgeworfen, ob man nicht einfach funktionierende Systeme aus Skandinavien übernehmen könne. Becher zeigte sich skeptisch: Verwaltungsstrukturen, Rechtsgrundlagen und Mentalität seien zu unterschiedlich, um es einfach genauso zu kopieren. Entscheidend sei zu lernen und sich inspirieren zu lassen, indem beispielsweise im IT-Bereich einheitliche Schnittstellen und Standards geschaffen werden, damit unterschiedliche Systeme miteinander kommunizieren können – auch auf kommunaler Ebene. Nur so entstehe echte Kompatibilität und eine digitale Verwaltung aus einem Guss.

Als Vision nannte Becher den digitalen Bauantrag, der künftig mithilfe von Künstlicher Intelligenz vorgeprüft werden könnte, um Verfahren zu beschleunigen. Beispiele aus Skandinavien zeigten, dass digitale Verwaltung den Alltag der Bürgerinnen und Bürger erleichtern könne – etwa durch elektronische Schließfächer, in denen Dokumente auch außerhalb von Öffnungszeiten abgeholt werden können.

Kulturwandel

Am Ende des Abends blieb die Erkenntnis, dass Bürokratieabbau weit mehr ist als technischer Fortschritt. Er bedeutet einen Kulturwandel, der Vertrauen, Klarheit und Mut erfordert. Digitalisierung, so Becher, müsse den Staat nicht entmenschlichen, sondern befähigen – damit Verwaltung den Menschen dient, nicht umgekehrt.

Von: Jürgen Friedrichs

Kategorie

Demokratie | Transparenz

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